18 Jul Rechtsabbieger haben das Wahlrecht
Biegt ein Rechtsabbieger in eine zweispurige Straße ab, hat er das Wahlrecht, welchen Fahrstreifen er dort befährt. Linksabbieger müssen das Vorfahrtsrecht des Rechtsabbiegers beachten. Über einen solchen Fall hat das Amtsgericht Brandenburg entschieden.
Der Fahrer eines Mercedes-Benz Sprinter hielt an einer Ampelanlage auf der rechten Spur. Als die Ampel „grün“ zeigte, bog er nach rechts ab in eine zweispurige Straße. Dort ordnete er sich auf der linken Spur ein.
Zur gleichen Zeit bog der Fahrer eines Nissan an derselben Ampelanlage von der gegenüberliegenden Seite nach links ab. Er fuhr sodann in dieselbe Straße, in die auch der Sprinter abbog. Dort ordnete der Nissan sich ebenso in der linken Spur ein. Dabei kam es zu einem Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge.
Der Sprinter erlitt durch die Kollision Schäden im Bereich des vorderen Stoßfängers linksseitig und der linken Beplankung im vorderen Bereich. Zudem wurde der linke Scheinwerfer zerkratzt und im hinteren unteren Bereich zerbrochen. Es entstanden Schäden im Wert von über 2.000,- Euro.
Der Halter des Sprinters verklagte den Fahrer des Nissan auf Ersatz dieser Schäden. Das Gericht gab dem Kläger recht.
Zur Begründung führte das Gericht aus: Wer nach links abbiegen will, müsse entgegenkommende Fahrzeuge, die ihrerseits nach rechts abbiegen wollen, gemäß § 9 Abs. 4 der Straßenverkehrsordnung (StVO) durchfahren lassen.
Diese Vorschrift werde hier auch nicht dadurch verdrängt, dass die Kreuzung im Unfallzeitpunkt durch eine Ampelanlage geregelt worden sei. Auf eine ungehinderte Fahrt hätte der Beklagte nur vertrauen dürfen, wenn die Ampel für ihn einen „grünen Pfeil“ angezeigt hätte. Die Ampel hatte im vorliegenden Fall aber lediglich allgemeines „Grünlicht“ angezeigt. Daher habe der Beklagte auch bei vollem Grünlicht der Ampel nur unter Beachtung des sich im Gegenverkehr befindlichen klägerischen Kleinbusses als Rechtsabbieger abbiegen dürfen.
Ist die Straße, in die abgebogen werden soll, so wie hier zweispurig, hat der bevorrechtigte Rechtsabbieger nach Ansicht des Gerichts grundsätzlich ein Wahlrecht, welchen Fahrstreifen er dann dort befährt.
Das Vorfahrtsrecht des klägerischen Kleinbusses habe sich somit auf beide Fahrstreifen der Straße, in der er einbog, bezogen. Der rechtsabbiegende Fahrer habe somit vor dem linksabbiegenden Beklagten die Fahrstreifen frei wählen dürfen. Wer nach links in eine zweispurige Straße abbiegt, dürfe nämlich nicht darauf vertrauen, ein ihm entgegenkommender vorfahrtberechtigter Rechtsabbieger werde nur in den für ihn rechten Fahrstreifen abbiegen.
AG Brandenburg, Urteil vom 27.05.2022 – 31 C 290/20